Der Trend der letzten Jahre bestätigt: Die Mehrheit der Münchner Bürgerinnen und Bürger sind weder christlich noch israelitisch, sondern laut Statistik der Landeshauptstadt München „Sonstige“, das heißt sie haben keine Konfession angegeben oder sind konfessionslos.
Jakob Wetzel überlegt in seinem Kommentar in der Süddeutschen, was die Gründe der Münchnerinnen und Münchner für einen Kirchenaustritt seien. Er nennt den Mißbrauchskandal, die Besteuerung von Kapitalerträgen, Tebartz-van Elst und das Kirchen nur noch als Dienstleister angesehen würden. Er vergißt möglicherweise den wichtigsten Grund: die Menschen sind schlichtweg nicht mehr religiös, wollen keine Bevormundung durch ein ideologisches, irrationales Gedankengebäude der Religionen mehr, sondern möchten selbst frei denken, Freigeistig sein, eigene Werte aufgrund von rationalen Überlegungen bilden.
Bei Jakob Wetzel klingt an: der Rückgang bei den Kirchenmitgliedern sei etwas schlechtes, ein Werteverlust. Doch im Gegenteil: Er ist ein Zeichen des Vertrauens in ein Leben ohne irrationalem Glauben, ohne Indoktrination, ohne Regeln, die ethisch nicht zu begründen sind; ein Vertrauen in die eigene Unabhängigkeit und Freiheit.
München ist weniger christlich als der Durchschnitt Deutschlands: Laut Fowid sind in Deutschland 59,7% der Deutschen entweder Katholisch, Evangelisch oder in evangelischen Freikirchen. München liegt hier mit 46,2% weit darunter. Fowid schätzt den Anteil Muslimischer, Orthodoxer und anderer Religionen auf 6,1%. Den Anteil jüdischer Gemeinden schätzt Fowid zu 0,1% – in München 0,3%. Nimmt man grob an, daß die Verteilung auf Muslime, Orthodoxe und andere Religionen auch auf München anwendbar ist, so ergibt sich, rein rechnerisch, für München ein Anteil nicht religiöser Menschen von etwa 47,4% – und damit weitaus höher als der bundesweite Anteil von 34,0%.
Natürlich sind diese Zahlen mit Vorsicht zu betrachten: Die Aussage, ob „konfessionslos“ gleich „religionslos“ zu setzen ist, läßt sich anzweifeln: Einige in dieser Gruppe mögen religiös sein, auch wenn sie formell keiner Konfession angehören. Nur andersherum gilt das gleiche: viele Menschen, die noch Mitglied der Großkirchen sind, sind längst eher dem agnostischen oder atheistischen Spektrum zuzuordnen. Somit sind die Zahlen, die wir hier haben, sicher mit Fehler behaftet, jedoch wohl die beste Rechengrundlage, die wir haben.
Unbestreitbar ist: Konfessionsfreie bilden in München und auch bundesweit einen erheblichen Teil der Bevölkerung. Es wird endlich Zeit, auch deren Werte und Ziele in Politik und Gesellschaft angemessen zu berücksichtigen: In den Parteien, in den Rundfunkräten, beim Wort zum Sonntag, bei den Bürgerdialogen der Bundesregierung, beim deutschen Ethikrat. Selbst beim Aufstellen der Maibäume sollte nicht nur der Pfarrer segnen, sondern auch ein konfessionsfreier Humanist ein paar Worte sprechen.
Andererseits gilt auch: Diese Menge an Menschen darf weltanschaulich nicht alleine gelassen werden. „Konfessionsfrei“ oder „atheistisch“ sind keine Weltbilder, sondern Eigenschaften; sie können alleine nicht die Werte unserer Gesellschaft bilden. Aus dem Humanismus oder den Menschenrechten ließen sich ethische Normen für unsere Gesellschaft ableiten, die sowohl religiösen als auch religionslosen Menschen ein Leben in „Einigkeit, Recht und Freiheit“ ermöglichen könnten. Als Gesellschaft müssen wir uns auf gemeinsame Werte einigen – damit weder Pegida, Islamismus noch Rechtsextremismus Werte erzeugen, die unserem Grundgesetz widersprechen.
Quellen:
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