Religionskritik in Zeiten von Pegida und Charlie Hebdo – Vom richtigen Zeitpunkt

Pegida wird von Rechtsextremen organisiert oder unterstützt und verfolgt faschistische Ziele. Während man in Dresden gutmütig noch von vielen naiven Mitläufern ausgehen kann, sind in Städten wie z.B. München die an Pegida angelehnten Kundgebungen klar von Neonazis dominiert (Abendzeitung München). In Dresden mögen runde Tische und Diskussionen diese Mitläufer beeinflussen können. In München ist nach meiner Meinung der harte, unbelehrbare rechtsextreme Kern dafür zu groß. Ich plädiere dafür, daß sich humanistische Verbände und Vereinigungen klar gegen Pegida, und für eine humanistische, weltoffene Gesellschaft aussprechen – zum Beispiel durch die Unterstützung von Gegendemonstrationen. Religionskritik muß weiterhin möglich sein – nur bitte zur richtigen Zeit am richtigen Ort, ohne die Spaltung der Gesellschaft, die von Pegida vorangetrieben wird, auch noch zu unterstützen.

Pegida hetzt. Pegida hetzt auf eine perfide Art und Weise: Durchaus rationale Kritikpunkte werden auf den Demonstrationen mit lächerlichen Stammtischparolen und Behauptungen kombiniert, um einseitig gegen den Islam oder die Presse zu hetzen. Es ist zu befürchten, daß Pegida damit aktuell für uns Humanisten die Möglichkeit verbrennt, eine unaufgeregte, rationale Kritik zu üben und unsere Standpunkte überlegt und ruhig darzulegen. Wenn die humanistischen Organisationen jetzt nicht klare Flagge zeigen, wofür sie stehen, werden wir in unserer Aufklärungsarbeit um Jahre zurückgeworfen. Viele Organisationen sich schon distanziert, einige zögern jedoch oder weigern sich, diese Aussage zu treffen (Atheologie.de).

Die Hochschulgruppe der Giordano-Bruno-Stiftung (GBS) Jena und der Bund für Geistesfreiheit (BfG) Erlangen wurden auf Kundgebungen kurz nach den Terrorattacken in Frankreich für ihre Äußerungen kritisiert:

  • Die Hochschulgruppe der GBS-Jena wurde offensichtlich für eine zu wenig klare Distanzierung von Pegida gerügt. In ihrem Blog versucht die GBS-Jena dies klarzustellen und unterscheidet zwischen einer „abzulehnenden Pauschalverurteilung aller Muslime und der notwendigen Ideologiekritik am Islam“.
  • Der BfG Erlangen äußerte sein Entsetzen über die Attentate in Frankreich, betonte in der gleichen Rede die Notwendigkeit der Religionskritik und fordert die Abschaffung des Blasphemieparagraphen, mit Hinweis auf die Initiative von Michael Schmidt-Salomon (Rede des Vorsitzenden Ebert beim hpd  , MSS: §166 Abschafen), was offensichtlich zu Unmut gegenüber dem BfG Erlangen führte.

Das erste Ziel des Humanismus ist nicht Kritik an den Religionen. Das erste Ziel des Humanismus ist der Humanismus. Deswegen sollte unsere erste Botschaft sein: wir stehen zu unserer Gesellschaft mit ihren humanistischen Werten, und wir begrüßen alle Menschen, gleich welcher Religion und Weltanschauung, die diese Werte mit uns teilen. Dies gilt, gerade jetzt, im speziellen für unsere islamischen und jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger und unsere Gäste. Und wir müssen klarstellen, wie ein Mantra, dessen Wiederholung jedoch wichtig ist: der Großteil der in Deutschland lebenden Menschen teilt diese Werte, unabhängig von Weltanschauung und Religion.

Hier und heute sollte daher die Priorität humanistischer Organisationen darauf liegen, eine weitere Spaltung unserer Gesellschaft, z.B. durch die Hetzer von Pegida oder die Terroristen in Frankreich und anderen Ländern, zu vermeiden, indem wir uns zusammen mit allen, die diese Werte teilen, auf die Straße stellen und demonstrieren, gegen Pegida, gegen Rechtsextremismus und gegen Terror. Wir sollten Wert darauf legen, daß in den Aufrufen auch konfessionslose und humanistische Vereinigungen genannt werden – um klar zu machen, daß auf den Straßen Deutschlands nicht nur Christen, Parteien und Gewerkschaften für unsere Gesellschaft demonstrieren, sondern eben ganz besonders auch humanistisch gesinnte Menschen. Was kann man sich als Humanist mehr Wünschen, als daß so viele Menschen Unterstützung für humanistische Ziele zeigen?

Genau wie der Anschlag in Norwegen durch Breivik möglicherweise durch ein verworrenes christlich-rechtsextremistisches Weltbild mit bedingt war (Wikipedia), so sind islamistische Attentate durch ein verworrenes Islambild bedingt. In den vergangenen Jahren haben sich die christlichen Kirchen in Deutschland und weltweit, zum Beispiel mit den erschütternden Mißbrauchsskandalen oder mit der Geldverschwendung Tebartz-van Elsts, in Mißkredit gebracht und waren somit effektiver als jede Kirchenkritik von seiten der Humanisten es hätte sein können. Den gleichen Effekt werden die furchtbaren Attentate in Frankreich haben: Die Kritik an bestimmten Haltungen im Islam liegt quasi vor den Augen der Menschen in Europa.

Die islamischen Verbände in Deutschland haben selbst erkannt, daß es aktuell ein Problem der Radikalisierung bei manchen Muslimen gibt. Diese Verbände haben sich daher glasklar für unsere Gesellschaft und gegen Terror ausgesprochen. Sie haben sich auch für die Meinungsfreiheit ausgesprochen, sie haben sich sogar für die neue Ausgabe von Charlie Hebdo ausgesprochen, mit nicht mehr und nicht weniger den Sätzen, die man in einer offenen Gesellschaft erwarten kann: „Trotz ihrer generellen Kritik an Mohammed-Karikaturen haben deutsche Islamverbände die neue Ausgabe der französischen Satirezeitung “Charlie Hebdo“ verteidigt. “Karikaturen müssen mir persönlich nicht gefallen, um zu sagen, dass Meinungsvielfalt und Meinungsfreiheit wichtige, schützenswerte Güter sind – in der Demokratie, in der Religion und im persönlichen Umfeld“, sagte der Generalsekretär des türkisch-islamischen Verbandes Ditib, Bekir Alboga, der Nachrichtenagentur Reuters am Mittwoch.“ (Tagesspiegel). Geben wir den muslimischen Verbänden die Möglichkeit, einen liberalen Islam zu unterstützen. Und warten wir ab, wie die Gesellschaft mit einzelnen Stimmen gegen die Pressefreiheit umgeht.

Ja, Religionskritik, auch  durch humanistische Verbände, muß weiterhin möglich sein. Religionskritik ist jedoch kein Selbstzweck, sondern ist nur dann sinnvoll, wenn es der Förderung der humanistischen Werte unserer Gesellschaft dient. Die Art und Weise, wie die GBS Hochschulgruppe Jena und der BfG-Erlangen ihre Kritik zeigten, halte ich für falsch. Die humanistischen Werte sollten immer an erster Stelle stehen. Auch ein richtiges Wort zur falschen Zeit und am falschen Ort kann Öl ins Feuer gießen und die Spaltung unserer Gesellschaft, die z.B. durch Pegida versucht wird, vorantreiben. Humanisten sollten weder direkt noch indirekt Pegida Vorschub leisten.

An den richtigen Orten ist Religionskritik selbstverständlich auch aktuell möglich. Nur: Humanismus und Aufklärung sollte anbietend sein, nicht aufdrängend. Wo ist für mich der Unterschied? Auf meiner Facebookseite teile und zeige ich religionskritische Bilder von Charlie Hebdo. Jeder der sie sehen mag, darf sie anschauen. Wer sie nicht sehen mag, klickt weg. Ich würde diese Bilder jedoch nicht mit auf eine Demonstration nehmen, sie meinen muslimischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern unter die Nase halten und sie ihnen aufdrängen. Es würde mich ja auch irritieren, wenn ich an einer Gegendemonstrationen zu Pegida teilnehme und vor mir ein Banner mit Kritik am BfG oder der GBS geäußert würde. Dies ist für mich die Abgrenzung zu einem missionarischen Vorgehen, welches wir als Humanisten bei den Religionen ja gerade kritisieren. Deswegen ist es richtig, daß Charlie Hebdo wieder erscheint, genauso religionskritisch wie zuvor, und andere Zeitungen die Bilder zeigen. Dafür meinen größten Respekt an die Redaktion von Charlie Hebdo. Es wird jedoch niemand gezwungen, diese Bilder anzusehen, der sie nicht sehen mag. Ich gehöre auch zu den wenigen, die die Bilder von Charlie Hebdo nicht nur formell, aus Gründen der Meinungsfreiheit verteidigen, sondern weil ich sie auch, als Satire, gut finde.

Meine persönliche Zusammenfassung:

  • Humanisten und humanistische Gruppen sollten sich glasklar und eindeutig gegen die Hetzer von Pegida positionieren.
  • Humanisten und humanistische Gruppen sollten, durch Teilnahme an Demonstrationen gegen Pegida, ihre Unterstützung für die humanistischen Werte unserer Gesellschaft zeigen.
  • Humanisten und humanistische Gruppen sollten weiterhin Kritik an Religionen und Ideologien üben, jedoch nicht missionierend und aufdringlich, sondern anbietend, zu den richtigen Zeitpunkten und an den richtigen Orten.

2 Gedanken zu „Religionskritik in Zeiten von Pegida und Charlie Hebdo – Vom richtigen Zeitpunkt

  1. peter sigurd

    sei werben für besonnen umgang miteinandern , teilen aber kräftig und pauschal aus.
    das paßt so nun nicht.

    ich bin auch bei pegida hin und wieder dabei, ich kann das offizielle demo-programm gut mittragen. in anderen städten mögen rechte nazispinner auf den zug mitaufspringen, das ist für dresden klar auszuschließen und je mehr man von außen draufschlägt umso mehr menschen werden es.

    ich verurteile nazis genaus wie ich den islam verurteile , beides gefährliche ideologien, die für unfreiheit stehen. in den medialen vordergrund werden immer „liberale“ muslime geschoben , das ist aber nach deren eigener einschätzung nur eine verschwindende minderheit. fragen sie mal die große mehrheit nach frauenrechten und rechten für andere minderheiten – egal ob schwule , christen etc. . und in den ländern wo die muslimsche bevölkurng die mehrheit stellt, sieht es damit nun nicht gerade rosig aus.

    1. admin@atheologie_de Beitragsautor

      Nun, ich plädiere für einen besonnen Umgang innerhalb unserer Gesellschaft; Menschen, egal welcher Couleur, die versuchen, unsere Gesellschaft zu spalten, sollten in ihre Schranken verwiesen werden. Wenn Sie bei Pegida mitlaufen, sollten sie sich tatsächlich überlegen, mit wem Sie da Seite an Seite laufen. Auch der Staatsschutz und die Staatsanwaltschaft in München sieht das mit der Hetze wohl ähnlich wie ich: Pegida: Jetzt ermittelt der Staatsschutz / Abendzeitung.

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