Betet ProChrist für die Züchtigung von Kindern?

Dies ist ein Folgeartikel zu „Betet ProChrist nicht gegen die Todesstrafe für Homosexuelle ?“.  Im folgenden möchte ich zwei meiner „Gebetswünsche“ des dort erwähnten „Gebetsexperiments“ veröffentlichen.

In meinem ersten „Wunsch“ stellte ich die Bitte „Ich wünsche mir, daß die Bevormundung der Eltern durch die deutschen Gesetze wieder weggenommen wird. Niemand sollte Eltern verbieten, ihre Kinder züchtigen zu dürfen, das steht schon so in der Bibel.“ Wiktionary definiert Züchtigung als „Bestrafung durch körperliche Gewaltanwendung, Prügel“.  Ich möchte betonen, daß dieser „Wunsch“ nicht meiner tatsächlichen Einstellung entspricht, sondern ich diesen „Wunsch“ nur als Test für ProChrist auf deren Webseite eingegeben habe. Ich spreche mich hier in aller Form gegen Gewalt gegen Kinder aus! Verena, eine Dame mit grau-weißem Haar aus Wuppertal, hat mir geantwortet:

Hallo, Bernd, Du hast vorgestern einen „Wunsch an Gott“ aufgeschrieben und mich ausgewählt, ihn an Gott weiterzugeben. Das habe ich heute getan. Ich habe Gott gesagt, daß Du Dich bevormundet fühlst, weil deutsche Gesetze Eltern die Züchtigung ihrer Kinder verbieten. Ich habe ihm berichtet, daß Du Dich bei dem Recht von Eltern auf Züchtigung ihrer Kinder auf die Bibel berufst. In der Bibel steht, daß wir Gott alles bringen können, was uns bewegt. Deshalb habe ich Deinen Wunsch auch so weitergegeben. Ich habe Gott gebeten, sich Dir bekannt zu machen und DIr zu offenbaren, wie er sich die Erziehung von Kindern nach seinem Willen vorstellt. Ich habe darum gebetet, daß er sich DIr ganz besonders zuwendet, Dich heilt und sich um Dich liebevoll kümmert. Gott hat ein echtes Interesse an Dir. Er möchte für Dich da sein wie ein liebender Vater für seinen Sohn. Wenn Du mehr über Gott erfahren möchtest, dann komm doch zu einer Pro-Christ-Veranstaltung in Deiner Nähe. Auf der Landkarte unten findest Du die Veranstaltungsorte. Dort sind Mitarbeiter bereit, Dir von ihren Efahrungen mit Gott zu berichten oder Dich anzuleiten, persönlich mit Gott zu sprechen. Gott segne Dich und begegne Dir. Viele Grüße, Verena

Die Antwort ist nicht eindeutig. Es ist zumindest festzustellen: Die ProChrist-Beterin distanziert sich nicht eindeutig vom „Wunsch“ nach Kinderzüchtigung. Man könnte auch interpretieren, daß sie diesen Wunsch so an „Gott“ weitergeleitet hat. Selbstverständlich besitze ich auch einen PDF-Ausdruck, den ich auf Wunsch zur Verfügung stellen kann.

Mein zweiter Gebetswunsch betraf die sexuelle Freiheit: „Ich wünsche mir, daß alle Menschen auf der ganzen Welt ihre Sexualität, natürlich im gegenseitigen Einvernehmen, ohne Zwang und unter dem Bewußtsein der zugehörigen Verantwortlichkeit, uneingeschränkt und ohne Strafe oder Herabwürdigung durch andere ausleben können.“ Mit diesem Gebetswunsch kann ich mich durchaus identifzieren. Nur, leider, Jürgen aus Essen betet nicht für mich:

“ Lieber Michael! Ihr Wunsch wurde an mich weitergeleitet. Darum antworte ich Ihnen. Ich bin überzeugt, dass wir alle unsere Wünsche unserem himmlischen Gott und Vater vortragen dürfen und er uns hört. Dennoch kann ich Ihren Wunsch in dieser Form nicht im Gebet Gott vortragen. Er enthält einen Widerspruch in sich selbst. Sie sprechen einerseits davon, dass „alle Menschen ihre Sexualität… uneingeschränkt… ausleben können“, andererseits von dem „Bewusstsein der zugehörigen Verantwortlichkeit“. Also einerseits ganz Ich-zentriert, andererseits Verantwortungs-zentriert. Welchen Inhalt hat Ihre Verantwortung? Sie meinen vermutlich: Verantwortung dem jeweiligen Partner gegenüber. Da genau ist der Widerspruch: der Partner hat ein eigenes Ich, ein anderes Ich als Sie. Nur in wenigen Momenten stimmen die beiden Ichs überein, dann schon verbindet jedes Ich innerlich etwas anderes mit dem gleichen Akt. Wie sieht dann Verantwortlichkeit aus? Setzt sich dann mein Ich durch oder das des anderen? Natürlich immer mein Ich – wenn nicht ein Wunder geschieht. Und um dies Wunder in Ihrem Herzen habe ich gebetet. Ich habe gebetet, dass Gott Ihnen Verantwortung für das Du in Ihr Herz schenkt. Deswegen bin ich so dankbar, dass Gott uns seinen Sohn Jesus Christus geschenkt hat. Er hat uns vorgemacht, was es heißt, Verantwortung zu übernehmen. Er hat – aus Liebe! – danach gefragt, was wir Menschen wirklich brauchen. Darum hat er sein Leben nicht für sein Ich gelebt, sondern für uns, auch für Sie. Wenn Sie mehr davon wissen wollen, kommen Sie vom 3. bis 10. März zu der ProChrist-Woche. Irgendwo in Ihrer Nähe wird es sicherlich eine Übertragung geben (siehe Deutschlandkarte!). Dort können Sie auch mit verantwortungsbewussten Menschen in ein persönliches Gespräch kommen. Unser Gott segne Sie! Jürgen aus Essen“

Falls mir jemand den von Jürgen dargestellten Widerspruch erklären kann, wäre ich dankbar – ich versteh’s echt nicht. Natürlich besitze ich auch von dieser Seite einen PDF-Ausdruck, den ich auf Wunsch zur Verfügung stellen kann.

Edit am 2013-01-14:  Ich habe den Artikel etwas entschärft, da ich darauf hingewiesen wurde, daß man die Antwort auch anders interpretieren könnte.

Ein Gedanke zu „Betet ProChrist für die Züchtigung von Kindern?

  1. Benjamin_Studer

    „Falls mir jemand den von Jürgen dargestellten Widerspruch erklären kann, wäre ich dankbar“

    Ich verstehe den Hinweis auf Widerspruch so:

    Die beiden Teile, die sich widersprechen würden, sind

    „Sexualität […] ohne Zwang […] uneingeschränkt […] ausleben können.“

    und

    „Sexualität […] unter […] der zugehörigen Verantwortlichkeit […] ausleben können.“

    Jürgen scheint deinen Wunsch so zu verstehen, dass du dir wünschst, dass alle Menschen ihre Sexualität ohne Zwang ausleben können, und du dir gleichzeitig wünschst, dass alle Menschen ihre Sexualität verantwortlich ausleben können. Er scheint zu dem Schluss zu kommen, dass, wenn alle Menschen ihre Sexualität ohne Zwang ausleben, manche von ihnen ihre Partner verletzen (weil jemand bspw. einen Wunsch hat, der dem Partner weh tut). Ferner scheint er dann zu schlussfolgern, dass, wenn Menschen verantwortungsvoll ihre Sexualität ausleben, einige Wünsche, wie bspw. der Wunsch, andere Menschen zu vergewaltigen, nicht ausgelebt werden können, also die Sexualität nicht uneingeschränkt ausgelebt werden kann. Er betrachtet diese zwei Teile deines Wunsches also voneinander isoliert, stellt sich jeweils eine Art vor, wie der Teil in Erfüllung gehen könnte, und stellt dann Widersprüche zwischen seinen beiden Vorstellungen fest.

    Interessanterweise habe ich deinen Wunsch ganz anders verstanden. Wenn du dir Wünschst, dass alle Menschen ihre Sexualität uneingeschränkt UND verantwortungsvoll ausleben können, dass dann, sollten manche Menschen Wünsche haben, die andere Menschen verletzen, entweder die anderen Menschen dadurch nicht mehr verletzt werden, oder die einen Menschen nicht mehr diese Wünsche haben.

    Oder in anderen Worten: Das „UND“ ist Teil des Wunsches.

    Ich interpretiere die sprachliche Bedeutung von Wünschen so, dass das, was sich gewünscht wird, wahr werden soll, dabei aber kein impliziter Weg, der nicht Teil der Wunschäuserung ist, vorgegeben wird, wie dieser Wunsch in Erfüllung zu gehen hat. Als Beispiel, wenn sich jemand wünscht, er wäre der Beste Boxkämpfer der Welt, würde man auch nicht sagen, das sei widersprüchlich, da er nur 1,43cm groß ist, und viel zu wenige Muskeln hat. Denn niemand hat schließlich gesagt, dass dies nach der Wunscherfüllung noch immer so ist!

    Um nun die Parallele zu ziehen: Niemand sagt, dass nach der Erfüllung deines Wunsches noch immer manche Menschen solcherart sexuelle Bedürfnisse haben, bei denen andere Menschen bei der Auslebung dieser Bedürfnisse verletzt werden.

    Wolle man also behaupten, dein Wunsch sei widersprüchlich, er sei ergodessen unmöglich zu erfüllen, selbst für Gott, müsste man behaupten, Sexualität könne niemals ohne Gewalt existieren. Oder: Sexualität könne niemals existieren ohne darunter zu leiden. Merkwürdig, passt aber zur Kirche wie die Faust auf’s Auge.

    Entweder Jürgen benutzt die länge deines Wunsches, um ihn zu zerfetzen, weil er ihn nicht mag, o. ä., oder er kann sich einfach keine Sexualität vorstellen, die darin besteht, dass beide Partner daran Freude haben, sich gegenseitig gutzutun. Interessanterweise kann ich persönlich mir das sehr gut vorstellen. Wie sieht’s bei dir aus, Michael?

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